Neulich sagte ein Kollege zu mir „Ich frag mich manchmal, ob ich so lebe, wie ich es vor hatte“. Diese Aussage hat mich zum Grübeln gebracht als mir klar wurde, dass ich mir diese Frage noch nie ernsthaft gestellt hatte. Leben ist das, was passiert. Und obwohl ich natürlich oft bewusst Entscheidungen getroffen habe, habe ich mein Leben bis heute nie als Ganzes betrachtet.
Diese Erkenntnis in Kombination mit den inspirierenden, kleinen Snippets der Guardian Small Business Serie „Briefe an mein jüngeres Ich“ veranlassten mich dazu einmal darüber nachzudenken, was ich von meinem Ansatz überhaupt gelernt habe. Ich beschloss, meinen eigenen „Brief an mein jüngeres Ich“ zu schreiben. Wie sich herausstellt, kann man eine ganze Menge lernen, wenn Dinge einfach „passieren“. Und obwohl einige Lektionen eher offensichtlich erscheinen könnten, wünschte ich doch, mir hätte das jemand gesagt….
Brief an mein jüngeres Ich
Liebe Britta,
Wie schön, dass ich heute die Gelegenheit dazu habe, Dir zu schreiben! Es gibt viel zu erzählen.
Als aller erstes: Herzlichen Glückwunsch zu Deinem Stipendium! Ich weiß. Du denkst immer noch, jemand hat einen groben Fehler bei Deiner Zulassung nach Cambridge gemacht, der jede Sekunde auffliegen wird….Dieses Gefühl wird Dich eine Weile begleiten und Du wirst so hart arbeiten, wie noch nie zuvor. Aber Deine Anstrengungen, Mühen, Selbstzweifel und Frustrationen werden es wert sein. Glaub mir.
Erst viel später wirst Du anerkennen können, dass es eigentlich sehr mutig war, einfach in ein Land zu ziehen, in dem Du vorher noch nie warst, alles zurück zu lassen und Deinem Traum zu folgen. Erst, wenn Du das sehen kannst, hast Du den notwendigen Abstand. Wie sagt man doch so schön „Hindsight is a beautiful thing.“
Das soll das erste Mal sein, in dem Du Deiner Passion folgst: Dem tiefen Wunsch zu verstehen, warum Menschen so handeln wie sie es tun. Und wie sich herausstellt, war Dein naiver Ansatz diesem Schritt gegenüber genau richtig, denn sonst wärst Du wahrscheinlich vor Furcht erstarrt.
Es soll einige Jahre dauern (gut, sind wir mal ehrlich – fast zwei Jahrzehnte) bevor Du wieder Deiner Passion folgst – bedingungslos und voller Energie. Die Jahre dazwischen sind Deine Lernjahre, in denen Du wachsen, verzweifeln und Dich neu erfinden wirst. Und Du wirst feststellen, dass es ein zentrales Thema gibt, das Dich Dein Leben lang begleitet: Deine Angst loszulassen.
Kein Grund zur Aufregung. Wirklich. Dein Umzug nach England war der Beginn einer fantastischen Reise mit ganz vielen “firsts“ – ganz genau so, wie Du es Dir immer gewünscht hast. Deine große Liebe. Deine erste Stelle. Dein erstes Kind. Dein erstes Haus. Und eventuell sogar Dein erstes Unternehmen.
Doch bevor Du dort ankommst, hat das Leben noch so einige Überraschungen in Petto. Und nein, Du kannst Dich nicht darauf vorbereiten, aber glaub mir, das ist etwas Gutes!
Wenn Du schließlich nach 13 Jahren nach Deutschland zurückkehrst, wirst Du feststellen, dass dieser Schritt nicht so einfach wird, wie Du es Dir vorgestellt hast. Du wirst Dich wie ein Außenstehender in Deinem eigenen Land fühlen, in dem Du nun nach Regeln spielen musst, die Du nicht kennst.
Es stellt sich heraus, dass Organisationen in Deutschland ganz anders funktionieren, als in England. Aber Du wirst es früher oder später lernen und diese Lektionen sind unbezahlbar. Ich weiß, das klingt wie ein Klischee, aber es ist wirklich wichtig, dass Du diese Erfahrung machst, um Dein Potential erfüllen zu können. Und glaub mir, Du wirst es schaffen.
Die Frage nach dem “Warum”, nach der Du die ganze Zeit so verzweifelt gesucht hast, wirst Du nicht finden. Es gibt sie nicht. Nicht jede Frage hat eine Antwort. Dafür wirst Du nach allem, was geschehen wird endlich wiederentdecken, was Dich erfüllt und etwas Neues erschaffen. Du kreierst Dein eigenes Unternehmen mit einem Ziel, dass Dich nicht mehr loslassen wird: Organisationen und die Menschen in ihnen darin zu unterstützen, ihr Potenzial voll zu entfalten. Von jetzt an wird Dich dies antreiben und Du hast die Chance, mit großartigen Menschen an interessanten Aufgaben zu arbeiten.
Es ist schwierig, sich das jetzt vorzustellen, ich weiß. Der reine Gedanke an eine Selbständigkeit erscheint komplett wahnwitzig. Aber glaub mir, das Gefühl, etwas von Grund auf aufzubauen ist großartig. Verstehe mich nicht falsch – Du wirst immer noch Angst haben. Viel Angst. Aber mit der Zeit wird sie abnehmen, denn Du hast so viel auf Deinem Weg gelernt.
Ich würde Dir gerne einige Punkte mitgeben. Nein, Du musst ihnen natürlich nicht folgen. Ich wünschte nur, mir hätte das jemand damals gesagt, als ich so dringend einen Rettungsring gebraucht habe.
- Definiere Dich nicht über Deine Arbeit. Lebe Deine Werte und verfolge das, woran Du glaubst. Aber glaube niemals, dass der Wert Deiner Arbeit Deinen eigenen Wert widerspiegelt.
- Folge Deiner Passion. Es wird es wert sein. Der Teich ist tiefer, als Du denkst.
- Gehe behutsam mit Dir um und vergib Dir Deine eigenen Fehler. Niemand ist perfekt, am allerwenigsten Du.
- Nimm, was das Leben Dir entgegenwirft und mach es zu einem Boomerang.
Alles Liebe,
Britta