Liebeserklärung an unsere Fehler

Hand aufs Herz – wir machen alle Fehler … jeden Tag. Und am liebsten denken wir überhaupt nicht daran. Fehler sind schlecht. Fehler führen zu Schuldzuweisungen. Fehler betonen Schwächen. Fehler verkürzen Karrieren.

Also entfernen wir sie mit beinahe chirurgischer Präzision, diese Schmutzflecken auf unserer Vita. Wir polieren, formulieren und interpretieren … solange bis wir eine nahtlose, glänzende Erfolgsgeschichte vorweisen können.

Wie kurzsichtig schauen wir auf unser Leben! Ohne es zu merken, nehmen wir uns selber die Chance zu lernen, unserer angeborenen Neugier nachzugehen und unsere Talente zu entwickeln. Jedes Kind lernt durch Versuch und Irrtum. Warum verwehren wir uns selber diese Möglichkeit? Wann haben wir aufgehört, neugierig zu sein?

Wahrscheinlich an dem Punkt, an dem wir Teil des „Systems“ wurden. Eines Systems, in dem Fehler oft kontraproduktiv sind. Ein System, das sich von der Schule angefangen durch unser Arbeitsleben zieht – charakterisiert von Unternehmenskulturen, die vorgeben, bei Fehlern tolerant zu sein. Aber der Schein trügt und so werden Fehler zu einer wirkungsvollen Waffe im verbissenen Kampf um die eigene Karriere.

Ich bitte Sie inständig: Beweisen Sie Ihren Mut. Den Mut zu sehen, dass Fehler so viel mehr sind als ein Grund um anderen Vorwürfe zu machen. Den Mut zu erkennen, dass Fehler das größte Potential eines jeden Menschen in sich bergen. Denn es sind unsere eigenen Fehler, die uns zu unseren wahren Stärken führen. Sie inspirieren uns, sie motivieren uns. Fehler und die Lehren, die wir aus ihnen ziehen, erlauben uns unser Bestes zu geben. Das fördert Karrieren.

Vor einigen Jahren wurde ich von meinem damaligen Chef in sein Büro zitiert. Wir hatten gerade herausgefunden, dass durch unser Verschulden einige Poster neu gedruckt werden mussten. Ich erstarrte aus Furcht. Nicht nur hatte ich gerade erst diesen internationalen Etat übernommen, nun würde alles, was schon vor meiner Zeit geschehen war, auch auf meinen Schultern lasten. Meinen Einstieg in das neue Team hatte ich mir wirklich anders vorgestellt.

Mein Chef verlangte einen Schadensbericht und bat mich darum, am nächsten Tag mit Antworten zu den folgenden Fragen wiederzukommen:

Wie konnte dieser Fehler passieren?
Welche Konsequenzen ergeben sich?
Wie werden wir sicherstellen, dass so etwas nie wieder passiert?

Leider habe ich erst einige Jahre später verstanden, dass das Vorgehen meines Chefs nicht das Geringste mit Schuldzuweisungen zu tun hatte. Im Gegenteil, das Lernen aus dem Geschehenen stand im Vordergrund wie auch der Wunsch, derartige Fehler in Zukunft zu vermeiden – zumindest in diesem Team, auf diesem Etat, mit mir als Teamleiterin.

Nachdem ich meine Unsicherheit und anfängliche Panik überwunden hatte, habe ich sehr viel aus diesem Ereignis lernen können. Ich habe gelernt, dass das gesamte Team an seiner Verantwortung wächst. Ich habe gelernt, dass man in einer offensichtlichen Schwäche neue Stärke finden kann. Denn die Situation hat uns ermöglicht, transparenter miteinander zu kommunizieren, einander besser kennen zu lernen und zu vertrauen und dadurch letztendlich das bestmögliche Arbeitsergebnis für unseren Kunden zu erzielen. Es war der Anfang eines kollaborativen Arbeitens im Team und die Grundlage für eine starke und belastbare Kunden-/Agenturbeziehung.

Ich bitte Sie daher …
Nehmen Sie sich der Fehler an – Ihrer und der anderer.
Nehmen Sie sich die Zeit zu verstehen, was genau geschehen ist.
Nutzen Sie das Gelernte dazu, Ihre eigenen Talente und die Ihres Teams zu stärken.
Öffnen Sie die Tür für kollaborative Arbeiten.

Sie werden staunen, was alles dahinter steckt.